
Moselcamino Tagesetappe 18,5 km
E1: Koblenz - Alken

Unterwegs mit Sandra auf dem Moselcamino
Darf es für zwischendurch ein Appetithäppchen Moselcamino sein?
Ja, es darf. Die Einstiegsetappe bei Koblenz hält, was sie verspricht. Moselflair, Burgblicke, steile Auf- und Abstiege - bei 30 Grad Spaß nach Maß
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Einen Besuch bei meiner Familie an der Mosel mit günstig gelegener Übernachtungsmöglichkeit verbinde ich mit der ersten Tageswanderung auf dem Moselweg. Für diese Pilgeretappe habe ich das "all-inclusive" Angebot gebucht, darin enthalten ist die physische und geistige Unterstützung meines Mannes, sowie ein familiärer Bring- und Abholservice zum Start- bzw. vom Zielort.
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Es ist Frühsommer und seit einigen Tagen gibt es tagsüber eine schwüle, zeitweise gewitterschwangere Hitze, angesagt sind mindestens 30 Grad. Jeder von uns hat drei Liter Wasser dabei. Für alle Fälle. Falls wir im moselanischen Trockenhinterland verloren gehen sollten.
Ich bin nach wie vor unentschlossen, welche Wetterlage mir zum wandern lieber wäre, die feuchtkalte Tieflage, die zuvor herrschte, oder die aktuelle feuchtheiße Luft. Während des ersten Aufstieges erinnere ich mich spontan an meine letztjährige Hitzeschlacht durch die sengende Sonne Schwabens und tendiere deshalb eher zum anderen Extrem. Da braucht man jedenfalls nicht so viel Wasser mitzuschleppen.
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Start in Stolzenfels mit Muschelstele
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Aber der Reihe nach. Nachdem uns meine Mutter morgens um 9 Uhr in Koblenz-Stolzenfels unterhalb der Kirche St. Menas am Schloßweg bei noch angenehmer Termperatur herausgelassen hatte, finden wir das Schild mit dem Hinweis auf den Beginn des Moselcaminos ohne Umschweife.
Ich bin begeistert, die Jakobusbruderschaft Trier e.V. arbeiten schon mit QR-Code auf ihrem Schild. Das gibt mir Hoffnung für meine mit QR-Code gekennzeichneten sechs Pilgersteine, die ich dabei habe, um sie auf ihre eigene Pilgerreise zu schicken und sich von anderen Pilgern mitnehmen zu lassen.​
Ich beschließe drei davon auf der Stele mit der Pilgermuschel am Start des Weges zurückzulassen,
denn jeder Pilger, der hier vorbei kommt, wird diese bemalten Steine dort wahrnehmen.
Zum Stempeln ist es noch zu früh.
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Nach der Stele geht es direkt los mit dem Treppenaufstieg zu der schön auf einem Hügel gelegenen Pfarrkirche St. Menas. Der heilige Menas war übrigens ein Ägypter. Die Koblenzer haben sich als Einzige nördlich der Alpen entschieden ihm eine Kirche zu weihen. Hier hatte ich Hoffnungen auf den Erhalt des ersten Pilgerstempels gehegt, doch die Kirche ist verschlossen. Da hilft auch ein weiteres Mal umkreisen nicht. Ich finde weder einen Stempel noch eine Klingel oder ein Pfarrbüro. Das Gebäude macht einen verlassenen Eindruck. Wenn man das über eine Kirche so sagen darf. Wir scheinen zu früh dran zu sein. Na gut, vielleicht haben wir ja am Eingang zum Schloss Stolzenfels mehr Glück.
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Wir steigen weiter bergan und erreichen das Schloss, das zu meiner Überraschung Teil des UNESCO-Weltkulturerbes Oberes Mittelrheintal ist, ca. eine Viertelstunde später. Auch hier sind und bleiben alle Türen verschlossen. Ich verstehe das gar nicht, denn schließlich ist ja heute Feiertag und ich bin davon ausgegangen, dass gerade Kirche und Schloss deswegen noch mehr Besucher als sonst anziehen würden. Aber außer uns scheint noch keiner unterwegs zu sein. Alle anderen sitzen sicher noch gemütlich am Frühstückstisch. ​
Zum Beginn direkt ein hübscher Anstieg
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Wir genießen kurz den Ausblick auf den Rhein, ohne Frühstück, und ich ziehe mein dünnes Jäckchen aus, denn mir ist schon ordentlich warm. Das erste Teilstück der Etappe, ist zugleich das anstrengendste. Es geht in Serpentinen ca. 250 Höhenmeter den Berg hinauf. Zwar nicht sehr steil, aber stetig. Und zum Glück die meiste Zeit durch den Wald.
Die Beschilderung ist top. Es wimmelt nur so von Muschelrichtungswegweisern, sogar in den Bäumen, und man kann den Weg eigentlich nicht verfehlen. Schon gar nicht als Vogel oder Fledermaus.
Ich bin total begeistert. Weniger begeistert sind die Teile meines Körpers, die bergauf nach mehr Sauerstoff verlangen.
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Nach der Frühstückszeit wird es voller!
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Wir folgen der Beschilderung und ich wundere mich zwischendurch, wer wohl ein Freibad in relativ luftige Höhen positioniert, denn auf dessen Existenz in unserer Nähe werden wir mehrfach hingewiesen. Ich habe natürlich mein Schwimmoutfit vergessen. Mist! Hoffentlich geht es anderen potentiellen Besuchern nicht kurz vor dem Einlass ebenso. Der Extraweg runter und wieder rauf könnte die Lust aufs Schwimmen vermiesen.
Nach einer guten Stunde erreichen wir den höchsten Punkt. Von hieran geht es relativ eben weiter.
Wir durchqueren den Koblenzer Stadtwald, ein Gebiet in dem es ein gutes Wegenetz zu geben scheint, denn ab jetzt begegnen uns plötzlich Spaziergänger mit Hunden, Jogger und einige Mountainbiker. Merkwürdigerweise kommen sie uns alle entgegen. Von hinten überholt uns niemand, was mich zu dem Schluss kommen lässt, dass es hier in der Nähe irgendwo einen Wanderparkplatz geben muss, denn unsere Begegnungen sehen noch frisch, gut frisiert und unverschwitzt aus.
Eine Caminotreffen!
Kurz darauf kommen wir an eine Weggabelung mit der Pilgertafel, die uns verkündet, dass sich hier MoselCamino und Linksrheinischer Camino trennen. Auf dem Schild liegen schon ein paar Steine.
Ich lege einen meiner Pilgersteine dazu. Vielleicht fällt er zwischen den anderen Steinen auf und wird von hier weiter mitgenommen.

Picknick mit Pilgern
So langsam klopft mein Magen an. Er meint, es wäre Zeit für die erste Frühstückspause. Wir einigen uns, dass wir die nächste Bank für eine Auszeit erobern werden.
Na toll! Als die erste Gelegenheit endlich in Sicht kommt, sehe ich, dass ein Radler seinen Hintern auf dieser Bank entspannt.
Als wir uns nähern, quäle ich mir ein Lächeln ab. Aber der Mann hat gute Augen und Ohren. Er erkennt den Ernst meiner morgendlichen Magenlage sofort, lächelt uns freundlich an, steht auf und macht eine einladende Handbewegung Richtung Bank.
"Das ist einer meiner Lieblingsplätze hier. Man hat so einen schönen Blick. Genießen Sie ihn."
Wie nett! Mein angestrengtes Lächeln weicht dankbaren Gesichtszügen.
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Mittlerweile haben wir festgestellt, dass hinter uns, in nicht allzu großem Abstand, ein weiteres Pilgerpaar unterwegs ist.
Ich beiße gerade in mein staubtrockenes Brot, als das Gespann bei uns auftaucht. Carmen und Jana, Mutter und erwachsene Tochter aus Koblenz sind wie wir heute losgelaufen, aber im Gegensatz zu uns wollen sie den kompletten Moselcamino bis Trier ohne Unterbrechung gehen. Die Glücklichen!
Sie kennen die erste Etappe bereits, haben deshalb ein paar wertvolle Tipps für uns zum weiteren Streckenverlauf - und - zu den Koblenzer Pilgerstempelstellen.
Carmen hat sich dazu eine Liste mit Anlaufstellen für den gesamten MoselCamino ausgedruckt. Im Gegensatz zu uns haben sie deshalb von der Existenz der Stempelstation in der Rhenser Str. 46 gewusst und dort den ersten Koblenzer Stempel erhalten.
Außerdem gibt sie uns zwei weitere Tipps:
1.: In Alken, am Etappenziel, ins Cafe Becker zu gehen. Pilgerstempel inklusiv.
2.: Statt des steilen Abstiegs nach Alken auf dem Schieferpfad lieber den Waldweg vom Bleidenberg herunter zu nehmen für den Falle, dass es das angesagte Gewitter geben sollte. Denn wenn der Steig nass ist, sei er richtig rutschig und gefährlich.
Meine Stirn kräuselt sich schon wieder. Steile, gefährliche Abstiege am Hang sind so gar nicht meins.
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Zur Halbzeit über die A 61
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Nach der Stärkung nehmen wir es wieder auf mit dem Camino. Wir streifen kurz den Ortsrand von Waldesch. Ein Blick in die Straße lässt eine Tankstelle ca. 200 Meter ab vom Weg erkennen. Jetzt eine kalte Cola light wäre fantastisch. Aber die Kohlensäure beim Wandern vertrage ich nicht so gut.​​​​​
Wir erreichen Nassheck, eine Hand voll wirklich abgelegener, älterer Häuser mit dem verstaubten Charme des Landlebens, welches von der Modernisierung überrascht wurde. Wer lebt denn hier freiwillig? Ich mutmaße, dass es sich um ältere Bevölkerung handelt, der das Geld und Interesse für die Renovierung der Häuser fehlt. Mein Mann entdeckt in einem Haus ein Kinderzimmer. Ich bin überrascht. Mit wem dieses Kind wohl nachmittags draußen spielt? Und wie weit es zur Schule gefahren werden muss? Und zum Sportverein?
Hoffentlich hat es Geschwister.
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Die Brücke über die A61, die nun in Sicht kommt, markiert ungefähr die Hälfte der Strecke. Wen nun der Durst plagt, darf an der Autobahnraststätte Mosel-West einkehren, denn die liegt direkt an der Tour. Wir haben jedoch keine Lust auf dieses nicht wirklich idyllische Plätzchen und laufen dran vorbei.



Highlight Bleidenberg mit Blick auf Alken und die Burg Thurant
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Ein ganzes Stück geht es jetzt auf einem angenehm breiten Weg bergab, bevor es nochmal einen Anstieg zur Wallfahrtskirche auf den Bleidenberg gibt, der sich aber in Länge und Anstrengung in Grenzen hält. Ich freue mich, als wir an der Dreifaltigkeitskirche ankommen und einen wunderschönen Blick auf die Burg Thurant und vor, bzw. unter uns, Alken an der Mosel werfen können.
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Das Wetter hat gehalten. Es ist sonniger denn je, der Himmel offensichtlich ohne Gewittergefahr. Ich lege meinen Rucksack auf einer Bank vor der Kirche ab und gehe hinein. Rechts vom Altar finde ich ein großes Pilgerbuch samt Pilgerstempel ,sowie eine Pilgerstatistik in einem Ringordner mit lauter leeren Blättern. Ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich in diesem Jahr die ersten Pilger sind, die von Koblenz hier ankommen oder nur die ersten, die diesen Ordner finden, denn er liegt verdeckt unter dem Pilgerbuch, das sich seinerseits großen Zuspruchs erfreut, wie ich an den Eintragungen der letzten Tage lesen kann.
Allerdings kommen hier viele Besucher aus dem Städtchen, also der anderen Richtung, zu Fuß hochgewandert, oder auch mit dem Auto zum nahegelegenen Parkplatz gefahren, was wohl die vielen Eintragungen erklärt. Ich platziere meine letzten zwei Steine neben dem Pilgerstempel.
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Steiler Abstieg nach Alken
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Der Abstieg auf dem alten Pilgerpfad, zunächst am Hang und später durch den steilen Weinberg, hinab nach Alken ist in trockenem Zustand und mit Stöcken für mich gut machbar, auch wenn meine Wadenmuskulatur nicht mehr die frischeste ist. Habe zuvor noch ein Tütchen Magnesium Direkt eingeworfen und bilde mir ein, dass es hilft.
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Es ist knackig heiß mittlerweile, die Sonne brennt auf meinen Pilgerhut und ich beneide das Ehepaar im mittleren Alter, das uns in Sandalen und ohne Kopfbedeckung, Rucksack und Getränk entgegenkommt nicht wirklich. Ab einem gewissen Lebensalter sollte man eigentlich reich genug an Erfahrung geworden sein, um wissen zu können,dass man vor allen Dingen bergauf ohne Wasser bei diesen Temperaturen nicht laufen sollte. Naja, sie haben eine andere Art der Notfallversicherung. Sein grellorangenes Hemd leuchtet schon von weitem im satten Grün der Rebstöcke.
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Glücklich und sehr zufrieden kommen wir in Alken an. Meine Bedenken, ich wäre der Etappe nicht gewachsen gewesen, haben sich in Wohlgefallen aufgelöst. Dabei hatte mir die Länge weniger Sorgen gemacht, als das Höhenprofil, dass ja mit 530 Metern Differenz kein Pappenstiel ist. Ich bin begeistert, dass ich nicht mal aus dem aller letzten Loch pfeife, sondern nur aus dem Vorletzten.
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Bevor es ins Café Becker geht, schaue ich mir noch die St. Michaels Kirche an. Das offizielle Etappenende. Jedenfalls für uns. Unser Kilometerzähler bleibt bei 19,5 km stehen. Einer mehr als geplant. Den extra Kilometer habe ich wohl der Umkreisung der Kirche St. Menas am Etappenstart zu verdanken...
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Belohnung im Café Becker
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An der Moselpromenade ist die Hölle los. Die Menschen genießen den Tag bei Kaffee, Kuchen und Eis. Zum Glück hat das Universum Erbarmen mit uns. Bei Becker's gibt es noch einen aller letzten freien Tisch für zwei zerzauste Pilger auf der Terrasse.
Endlich bekomme ich die ersehnte kalte Cola. Ich schwanke kurz, ob ich einen tollen Eisbecher dazu bestellen soll, aber mein Körper schreit nach Salz und nicht nach Zucker. Also kriegt er eine salzige Hühnersuppe dazu.
Kurz nach uns tauchen auch Carmen und Jana auf, die sich zwischenzeitlich schon in ihrer Pension frischgemacht haben. Wir wünschen Ihnen für Ihre weitere Etappen einen Buen Camino und werden bald darauf von unserem heimischen Taxi abgeholt.
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Mein Tipp
Hier habe ich für euch den Link mit allen Stempelstellen zum nachschauen, damit ihr euch ein wenig Sucharbeit sparen könnt:
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Pilgersteinstories - Was danach geschah:
Einige Tage später zuhause erhalte ich ein Foto und eine Nachricht über die Kontaktmöglichkeit dieser Homepage.
"Sandra, war der Stein von dir?"
Die beiden Koblenzerinnen hatten bereits kurz nachdem ich die drei Pilgersteine auf der Stele am Etappenstart abgelegt hatte einen davon mitgenommen.
Leider war der QR Code nicht lesbar gewesen. Aber ich hatte Ihnen von meiner Pilgerpage erzählt und beim Lesen haben sie den Link zu den Pilgersteinen gefunden und messerscharf kombiniert, dass dies zusammenpassen könnte.
So ist der erste Pilgerstein auf dem Moselcamino doch bereits ein Stück gen Compostela gereist :)