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Pilgern unter einem Hut - Unterwegs mit Sandra

Bayerisch Schwäbischer Jakobsweg

 

Etappe 1 : Oettingen - Wemding  18,1 km

Fachwerkhäuser Oettingen

20 km –  zum Warmlaufen, viele erste Male, ein gnädiger Pilgerwettergott, mein Pandabärtrick und  Anpassungsschwierigkeiten beim Tragegeschirr 

 

Wettervorhersage: 20 Grad, windig, bewölkt mit sonnigen Abschnitten

Erster morgendlicher Tagebucheintrag:

 

Montag, 06.07.20 Tag 1

Erwacht bin ich  zum unverwechselbaren Sound eines Autos, das auf regennasser Fahrbahn aquaplaniert. Na bravo.

Blick nach draußen, Himmel grau, aber auch kein Regen mehr. Durch‘ s Fenster kommt kühle Luft. Sonnenbrille also erstmal einpacken. Die Nacht war eher unterdurchschnittlich. Rücken und Schultern tun schon weh, bevor ich überhaupt losgelaufen bin.

Ich sorge mich schon ein wenig darum, wie mir, da körperlich eher unfit, die knapp 20 km der vor mir liegenden ersten Etappe zusetzen werden…)

Ein erstes Gespräch

Ich packe meine Habseligkeiten zusammen und gehe zum Frühstück. Es ist nur für mich gedeckt, ich scheine der einzige Gast zu sein. Die Wirtin kocht mir eine große Kanne schwarzen Tee, was mich direkt drei Stufen auf der Leiter der Glückseligkeit aufsteigen lässt und setzt sich zu mir, während ich mein Frühstück einnehme. Sie scheint ein wenig Gesellschaft zu brauchen, die zuhört und keine blöden Kommentare abgibt, denn sie erzählt mir sehr offen von den Veränderungen für sich und ihren Betrieb durch den Pandabären. Ich habe spontan beschlossen, dass ich dieses Wort jetzt immer anstelle von Pandemie schreiben werden, weil ich das böse P-Wort einfach nicht mehr hören oder lesen kann und will. 

Jedenfalls werde ich eingeweiht in komplizierte Familienverhältnisse  und  daraus resultierenden Sorgen, die sie plagen. Außer zuhören, kann ich nicht viel tun. Für mich trotz der Ernsthaftigkeit des Gespräches eine offene, freundliche Begegnung, die den Zustand der Gaststätte für mich etwas relativiert bzw. nachvollziehbarer macht. 

Ich breche auf und erhalte wie erhofft den ersten Stempel in der Touristinfo. Obwohl ich noch nichts geleistet habe, bin ich trotzdem schon mal stolz. Typisch!

Ich starte den Weg am Pilgerdenkmal und verlasse das Städtchen Oettingen an einem Kreisverkehr, den ich überquere und  der mich noch ein wenig neben der Bundesstraße laufen lässt.

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Erste Pilgerschritte

Dann geht es auf Nebenwegen durch wenig Wald, viel Feld und Flur.

Ich finde die Markierungen auf diesem ersten Abschnitt etwas geizig angebracht, denn ich finde sehr wenig davon. 

Vielleicht suche ich aber auch nicht gut genug, denn ab und zu erspähe ich doch mal einen zugewucherten Hinweispfeil.

Ich bin froh, dass ich mir den Streckenverlauf von Komoot vorher offline geladen habe. Die App navigiert mich leidenschaftslos per Stimme aus meiner rechten Oberschenkelhosentasche heraus. 

So kann ich trotz fehlender Markierungen an den Abzweigungen relativ schlecht verloren gehen.

Erste Verwunderung

Jaja, der moderne Pilger, mag der ein oder andere jetzt meckern, verlässt sich nur auf die Technik. Stellt sich denn nicht auch manchmal ein eingeschlagener Umweg im Nachhinein als die bessere Entscheidung heraus? Sicherlich, aber nicht immer und letztlich  muss das jeder für sich lösen.

Mir gibt es einfach mehr Sicherheit  mich alleine den Herausforderungen des Weges  zu stellen und ermöglicht mir gleichzeitig den Fokus nach Innen zu legen. Die stimmliche Leitung versperrt weder meine Sinne, noch blockiert sie meinen Geist oder hindert mich an Begegnungen. Das einzige, was mich ein wenig an ihr stört ist ihre Aussprache. Das Wort "Weg", nach "links "und "rechts" ihr meistgebrauchtes, spricht sie aus wie "Weck".

Ursprünglich hatte ich gedacht, dass der spanische Camino, außer der Begegnung mit mir, auch ein Camino der Begegnung mit Anderen werden würde.  Ich hatte mich darauf gefreut mit  Menschen  gemeinsame  Erfahrungen zu machen und von anderen zu lernen. Auch wenn ich die Beschreibungen über Horden von Pilgern, die auf den letzten 100 km unterwegs waren, etwas abschreckend fand. Ich wollte, wenn mir danach war, mit Menschen in Kontakt treten und wenn mir nicht danach war, für mich alleine ziehen und sein.

Stattdessen hatten die Vorzeichen sich nun geändert und im ersten Coronajahr gaben die AHA-Regeln nun die geringere Intensität der Begegnung mit Menschen vor. Es würde wahrscheinlich für viele  schwerer werden maskierten Menschen unbefangen und vertrauensvoll zu begegnen. Und es würde überhaupt viel weniger Begegnung geben im Donau-Ries-Land als auf dem finalen Wegstück nach Compostela.

Nachdem ich Oettingen hinter mir gelassen habe, stelle ich fest, dass  ich  den ersten Abschnitt des Bayerisch-Schwäbischen für mich allein habe. Ganz allein. Es ist immer noch trübe. Keine Menschenseele unterwegs. Den ganzen ersten Tag nicht. Ich gehe durch Wälder, Wiesen und viel am Waldrand entlang, folge schmalen Forststraßen und komme an einzelnen Höfen vorbei. Wo sind nur die Menschen?

Die schönsten Wege zum Wandern und zum Laufen gibt es in Schwaben und während ich es gewöhnt war in Oberbayern ständig mit Tagesausflüglern und Touristen die aussichtsreichsten Routen zu teilen gibt es hier: nichts als Natur und Weite.

Verstehe ich nicht – wo sind denn zumindest all die Hundebesitzer, die normalerweise mit ihren Vierbeinern im Wald herumtobten? Die fokussierten Jogger, die von hinten überholten und nur an der Druckwelle ihres Windstoßes zu bemerken waren? Oder die älteren Schwaben, die auf eine Spazierrunde aufbrechen? Gab es hier keine Mütter mit Kinderwagen, die ihren Nachwuchs an der frischen Luft herumfuhren?

Vielleicht bin ich zur falschen Tageszeit unterwegs. Oder gleich ganz am falschen Wochentag. Vielleicht macht man das montags hier nicht. Mich beschleicht jedoch das Gefühl, dass es hier immer so ruhig zugeht und die paar Menschen in diesem dünn besiedelten Gebiet schlichtweg morgens weder Zeit noch Lust  haben auf ihren etwas abgelegenen Wald- und Wiesenwegen zu spazieren.

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Erste Erkenntnisse unterwegs

Gegen Mittag klart es etwas auf, was wohl auch dem kräftigen Wind zu verdanken ist.

Ich sehe mich gezwungen eine Pause einzulegen und meine windabweisende Jacke überzuziehen, denn mein Rücken ist nass, trotz des angepriesenen airbelüfteten Tragesystems und des in "Windeseile" trocknenden HightecStoffs meiner Oberbekleidung. 

Erste Ankunft

Kurz bevor ich in den Wallfahrtsort Wemding durch das Amerbacher Stadttor schreite, kommt mir eine junge Frau auf dem Fahrrad entgegen und stoppt unvermittelt bei mir. Schön, ich werde als  Pilgerin erkannt! Ich lächle sie an. Sie erkundigt sich nach meinen Plänen und berichtet ihrerseits davon, dass sie selbst vor einigen Jahren diesen Pilgerweg gelaufen sei, allerdings ein gutes Stück länger, als es mein Vorhaben nun ist.  Sie gibt dem Greenhorn ein paar gute Tipps. Der TopTipp bezieht sich auf die Kneippanlage  in Wemding, die jedem zur Verfügung steht, um seine strapazierten Füße zu kühlen und zu pflegen.

Grandios. Genau das, was meine heißen, schmerzenden Mitstreiter sich heute verdient hatten. Ich bekomme ganz große Augen und versuche mir den Weg einzuprägen, den sie mir erklärt. Das würde ich definitiv nach meiner Ankunft tun.

Es gab sie also doch noch, die unbeschwerten, unvoreingenommenen Kontakte. So hatte ich mir das vorgestellt. Wir verabschieden uns herzlich voneinander und ich erreiche kurz darauf meine Unterkunft in Wemding.

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Erste Erkundungen

Das Haus heute sieht vielversprechender aus. Nachdem ich dort eingecheckt  und mich erholt habe, schlüpfe ich in meine Wandersandalen und mache mich auf den Weg zur Kneippanlage. Herrlich, noch eine Topentscheidung die Wandersandalen einzupacken. Die sind zwar verhältnismäßige Schwergewichte im Rucksack, aber eine echte Wohltat nach den Wanderstiefeln.  Ich glaub, mein Gang ist nicht mehr ganz so rund und natürlich, aber macht nix. Hauptsache angekommen. Ich bin schon wieder mächtig stolz auf mich.

Auf dem Weg zur Kneippanlage fällt mir auf, dass es viele alte Fuchsienpflanzen in den Vorgärten der Häuser zu bewundern gibt. In diesem Zusammenhang lerne ich, dass aus Wemding der Botaniker Leonart Fuchs stammt, der den Pflänzchen seinen Namen vererbt hat.

Außerdem lese ich nach, dass Wemding seit 1972 als anerkannter Erholungsort ausgezeichnet ist. Mir gefällt das Stadtbild auch sehr gut.  Trotzdem wundert mich nicht, dass ich auch beim Kneippen alleine bleibe. Welch eine Wohltat für die Füße! Hut ab, nicht eine Blase haben sie heute aufgeblasen!  Ich genieße das kalte Wasser aus vollem Herzen.

 

 

Tagebucheintrag beim Abendessen:

So, Tag 1 ist geschafft. Genau wie ich. Ab km 12 wurde es schon sehr anstrengend. Und ab km 15 kam ich kaum noch vorwärts. Erstaunt hat mich, dass der Rücken eigentlich gar nicht das Problem war, sondern tatsächlich die Füße und die fehlende Kraft in den Beinen. Auch die Knie hielten erstaunlich gut.

Das Rauf- und Runterwuchten des Rucksackes auf den Rücken muss ich reduzieren, ist sehr lästig und unbequem. Zum Glück keine Blasen gelaufen, aber auf der Innenseite des linken Oberarms habe ich eine richtig tiefe Schürfwunde, weil dort ein Rucksackriemen des Schultergurts mit jedem Stockeinsatz nach vorne konstant an der nackten Haut scheuert.

Ob ich das Problem mit dem Trägersystem beheben kann, weiß ich noch nicht. Zunächst pflastere ich mal den Arm großflächig zu.

Komisch, wieso nur auf einer Seite? Wackel ich so ungleich mit den Armen?

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